Juri Felde (Abitur 2016)
Nachdem ich das Greselius-Gymnasium in Bramsche vorzeitig mit einer Fachhochschulreife verlassen hatte, ein FSJ bei den Maltesern in Osnabrück absolviert und danach eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann nach einem Jahr beendet hatte, habe ich ca. 2,5 Jahre ohne eine Ausbildung für eine Personaldienstleistung in Osnabrück in verschiedenen Berufszweigen gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwar nicht unzufrieden, aber auch nicht sehr glücklich mit meiner beruflichen Perspektive und habe mich mehr oder weniger ziellos von Job zu Job gehangelt. Da ich aber schon immer Bock gehabt hatte Student zu „sein“, musste ich mich nach neuen Möglichkeiten umsehen. Meine Fachhochschulreife reichte leider nicht für meinen Wunschstudiengang aus. Eine Freundin hat mich daraufhin ermuntert, mich nach Möglichkeiten umzuschauen, mein Abitur nachzuholen. Ich bin bei Gelegenheit zum Sekretariat des Abendgymnasiums Sophie Scholl gefahren, habe mich informiert und mich anschließend angemeldet. Mein Ziel war es damals gewesen ein gutes Abitur zu absolvieren, sodass ich mich anschließend für ein Studium meiner Wahl an einer Universität bewerben konnte. Ich habe mich für den Unterricht am Morgen entschieden, weil ich dachte, dass meine Aufnahmefähigkeit morgens bestimmt besser sei als am Abend. Des Weiteren war es mir dadurch möglich am Abend einen Nebenjob in der Gastronomie anzunehmen und meinem Hobby, der Musik, nachzugehen. Musikalische Proben fanden bei mir nämlich meistens abends statt...
Ich würde sagen, dass mein persönliches Interesse am Lernprozess im zweiten Bildungsweg deutlich zugenommen hat. Früher hat mich der Inhalt im Unterricht wenig bis gar nicht interessiert und ich habe mich kaum damit auseinandergesetzt, wie ich an neue Aufgaben herangehe bzw. welche Methoden für das Aneignen neuer Inhalte existieren. Die Lust, Neues zu lernen hatte mich wieder gepackt und ich bekam das Gefühl, dass mir die Welt dadurch „offensteht“. Zusätzlich habe ich durch den Schulbesuch meine Scheu abgelegt, neue Sachen zu erlernen/auszuprobieren, was sich bis heute privat als auch beruflich sehr positiv auf mich und meine Hobbys ausgewirkt hat bzw. auswirkt.
Des Weiteren war aus meiner Sicht das Verhältnis zu den Lehrer*innen am Abendgymnasium deutlich entspannter. Ein Grund dafür ist sicherlich der meist geringere Altersunterschied zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen im Vergleich zum ersten Bildungsweg. Außerdem entschließen sich die meisten Schüler*innen freiwillig für den zweiten Bildungsweg, was die Atmosphäre zusätzlich auflockert. Hinzu kommt, dass ich das Gefühl hatte, nichts Überflüssiges lernen zu müssen und dass man sehr zielorientiert auf die Abiturprüfungen vorbereitet worden ist. Außerdem waren die Klassengrößen um einiges geringer als auf herkömmlichen Schulen. Dadurch konnten sich die Lehrer*innen viel besser auf individuelle Lernweisen konzentrieren und die Schüler*innen wurden gezielt gefördert und konnten viel tiefer in den Lernprozess eintauchen. Ich als Schüler habe mich nicht so „abgefertigt“ gefühlt, wie es auf meinem ersten Bildungsweg der Fall war.
Manchmal war es herausfordernd in der Gastronomie bis in die frühen Morgenstunden zu arbeiten und dann morgens um 8 wieder im Unterricht zu sitzen. Da ich aber nur 1-2 Tage die Woche arbeiten musste, war es für mich eher eine geringe Herausforderung. Es gab auch Schüler*innen, die diesen Weg parallel zum Vollzeitjob gegangen sind. Respekt!
Ich habe das Abendgymnasium 2016 mit dem Abitur abgeschlossen. Danach habe ich ein 2- Fach-Bachelor Studium in den Fächern Geographie und Mathematik angefangen. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass das Mathematikstudium nichts für mich war und zeitnah das Fach gewechselt. Zurzeit studiere ich Geografie und Anglistik/Amerikanistik an der Universität Osnabrück.
Durch das Studium haben sich mir auch viele berufliche Wege aufgetan. So arbeite ich seit 2017 während der Semesterferien im Bereich Tourismus als Reiseleiter für den Radreiseveranstalter „Die Landpartie“ aus Oldenburg und während des Semesters für die Ingenieurgesellschaft Hofer & Pautz als Bohrhelfer für bodenkundliche Kartierungen. Als nächstes steht im Sommer ein 3-monatiges Praktikum im Nationalpark Bayerischer Wald an. Dort tauche ich in alle möglichen Bereiche der Nationalparkarbeit ein, worauf ich mich sehr freue. Anschließend werde ich mich vermutlich ebenfalls in Osnabrück für den Master of Education bewerben.
Ich finde, dass am Abendgymnasium ein sehr familiäres Verhältnis herrscht. Man lernt sich schnell kennen und hat die Möglichkeit in einer entspannten Atmosphäre die Fachhochschulreife oder das Abitur nachzuholen. Die Lehrkräfte waren alle supernett, unterstützend und zugänglich. Ich würde es allen, die noch unentschlossen sind, empfehlen diesen Weg auszuprobieren. Ein weiterer Tipp von mir wäre noch: Lasst euch nicht von eurem Alter verunsichern. Als ich mich 2014 für das Abendgymnasium angemeldet habe, habe ich gedacht, dass ich mit meinen 23 Jahren schon viel zu alt für die Schule sei; was für ein Nonsens ;). Für mich hat es sich jedenfalls gelohnt und mein Leben sehr bereichert...